Kapitel 9: Jagd

„Raumkontrolle an Adler-103, Startfreigabe erteilt. Guten Flug“, hallte es über die Funkverbindung in den Helmen von Rhovena und Timothy. Timothy saß auf dem Pilotensitz und steuerte die Adler langsam aus dem Hangar der Domingo-Plattform. Seine Kollegin saß neben ihm und kümmerte sich um den Rest des Schiffes.

„Wo wir gerade vom Teufel gesprochen haben“, kommentierte Rhovena eine eingehende Kommunikationsverbindung mit der Solaire und keinem geringeren als Ko Mariachi, die führende Leiterin des Unternehmens. Timothy konzentrierte sich aufs Fliegen, sodass seine Kopilotin die Verbindung aufbaute.

Das Schiff, in dem sie saßen, hatte neben dem schmalen Cockpit, lediglich noch einen abgetrennten Maschinenraum-Bereich. Die Sitze konnten gedreht werden, denn sonst wäre kein Platz gewesen um dorthin zugelangen.

Das Gespräch begann mit ein paar Plattitüden, doch schon kurz danach drehte sich Rhovena von ihrem Kollegen zur Seite weg, sodass sie sich mit ihrem CEO weiter privat austauschen konnten. Timothy war misstrauisch, aber ließ sich nichts anmerken. Stattdessen flog er weiter und gab die Koordinaten vom Mond Tempin ein, welche Erat in seinen letzten Momenten, in denen er noch am Leben war, ihm verriet. Timothy schmunzelte, denn normalerweise verließen Ratten ein aufgegebenes Schiff oder Station, doch diese Piratten hatten sich dort unverfroren eingenistet.

Die empfohlene Distanz zur Station war erreicht und er informierte, die immer noch im Gespräch verwickelte, dass er jetzt den Sprungantrieb hochfahre und die Verbindung in wenigen Minuten abbrechen würde. „Nein noch nicht! Ich geb dir bescheid, wenn wir losfliegen können!“, zischte sie über die interne Kommunikation. Timothy ließ vom Schubregler ab und ballte seine Faust stattdessen. Timothy blickte auf das Radar und sah Punkte, welche Raumschiffe darstellten, die sich von der Station entfernten oder sich dieser näherten. Manchmal verschwanden auch Punkte einfach, nachdem dessen dazugehöriges Schiff weggesprungen war.

Sie verblieben noch weitere zehn Minuten in der Nähe der Domingo Station und entfernten sich von dieser langsam. „Okay, wir haben neue Befehle. Wir treffen uns mit ein paar Begleitschiffen hier …“, Rhovena schickte Timothy mit einer Wischgeste passende Koordinaten und briefte ihren Kollegen weiter: „… Und wir sollen das Schiff von diesem Marquos abfangen und wenn möglich kapern. Frau Mariachi hat Pläne und wir sollen diese nicht erneut vermasseln!“ Das erneut betonte sie stark und blickte ihren Kollegen finster an. Timothy gab die Rendezvous-Koordinaten ein, und begann, das Schiff und den Sprungantrieb auszurichten. „Ankunft bis zum Ziel, fünfzehn Stunden. Wir werden das schon nicht vermasseln“, versprach er. „Und wenn, dann sterben mir immerhin gemeinsam“, sagte sie gelassen.

Dreißig Stunden später machte die Schiffs-KI der Aasgeier ihre Passagiere darauf aufmerksam, dass sie kurz davor ist aus dem Sprung zu fallen. Kathrin saß seit einer Weile schon auf ihrem Pilotensitz und sah Pim immer näher auf sie zukommen, oder besser sie kamen mit rasanter Geschwindigkeit auf diesen zu. Maik und Sabrine kamen gerade wieder hoch und schnallten sich auf den zusätzlichen Sitzen an.

Der Sprungantrieb schaltete sich ab und die Haupttriebwerke erwachten, unter ächzten, wieder zum Leben. Es herrschte Schwerelosigkeit. Das Cockpit war von dem Licht, welches Pim ausstrahlte, in ein rötliches Licht getaucht. Kathrin hob ihre Augenbrauen an und meinte verwundert: „Seit wann leuchten Gasriesen?“ Sabrine sah von ihrem Platz über Kathrins Schultern und konnte die Verwirbelungen in Pims Atmosphäre deutlich erkennen. Sie beantwortete knapp, aber dennoch verblüfft: „Das tun sie nicht, jedenfalls nicht von sich aus“, sie schnallte sich ab und ging langsam in ihren magnetischen Schuhen weiter nach vorne und machte neben Kathrin halt. Diese überprüfte derweil die Sensordaten. „Das ist seltsam, aber für einen Stern leuchtet Pim nicht stark genug. Was ist das?“ fragte Sabrine neugierig und bat Kathrin um die Sensordaten, damit sie diese auswerten könne. Die Pilotin der Aasgeier nickte ihr zu und wischte die gesichteten Daten Sabrine zu. Maik sah, wie aufgeregt seine Freundin war, doch warum verstand er nicht. „Meint ihr, dass dieser Fund, Zilas schon reichen würde?“, fragte er pragmatisch die anderen. „Nein, sonst hätte er uns kein Abhörgerät mitgegeben. Hier muss noch etwas anderes sein. Wir müssen es lediglich finden“, entgegnete Kathrin und erinnerte an die verloren gegangenen Kolonieschiffe. Sabrine ging mit den Sensordaten zurück auf ihren Platz und begann ihre Nachforschungen, aber war noch nicht mit ihren Möglichkeiten zufrieden. „Meinst du, du könntest mein ARA direkt mit den Sensoren verbinden?“ „Klar, warte einen Moment.“ und Kathrin tippte auf ihren AR-Displays wild herum, kurze Zeit später erschien eine Verbindungsanfrage von der Aasgeier auf Sabrines Gerät.

Kathrin beschleunigte langsam die Aasgeier, um in eine hohe Umlaufbahn um Pim zu kommen.

„Wenn es was geben sollte, und Pim von sich aus leuchtet, müsste jenes einen Schatten hinterlassen, oder?“, fragte Maik naiv, was aber Sabrine auf eine Idee brachte. „Es ist zwar ein riesiger Gasriese …“, sie wusste selbst nicht, wie sie Pim nun passender bezeichnen sollte, „… Was auch immer es ist, aber dennoch müssten wir Abweichungen feststellen können. Egal auf welchen Sensoren. Ich schaue mich um.“ Sabrine war voll in ihrem Element, da piepte und blinkte die Konsole bei Kathrin. Eine eingehende Anfrage zum Kommunikationsaufbau, Ursprung aber unbekannt. Kathrin blickte über ihre Schulter zu den anderen. Nervös informierte sie die anderen: „Anscheinend hat das, was wir hier suchen, uns gefunden.“ Sabrine blinzelte sie an und Maik blickte sie fragend an. „Hoffen wir, dass es keine Falle ist. Die Aasgeier ist ein Bergungsschiff, und die ballistische Kanone ist nur zur Abschreckung da“, sagte sie und drehte sich wieder um, um auf ihrem AR-Display die Anfrage zu bestätigen.

Kurz nachdem Kathrin den Empfang bestätigt hatte, forderte eine barsche Stimme über den Kanal: „Fremdes Schiff im Umlauf von Pim. Identifizieren sie sich und ihren Absichten!“ „Dies ist die Aasgeier, wir sind hier aufgrund einer Forschungsmission“, beantwortete Kathrin nüchtern und wie befohlen. Dies schien die Frau, die sie anfunkte, für einen Moment zu beschäftigen. Die Aasgeier war derweil in einem angepassten Orbit angekommen, sodass Kathrin wieder die Triebwerke ausschalten konnte. Die Atmosphäre im Schiff war angespannt, niemand wollte etwas sagen und nur das leise Brummen der Schiffssysteme war zu hören.

Dann durchschnitt der nächste Funkspruch die Stille: „Habitat-7 an fremdes Schiff namens Aasgeier, verlassen Sie nicht ihren Kurs!“ Auf Kathrins AR-Display vermerkte die Aasgeier drei Laserstrahlen, welche, wie sie vermutete, der Zielerfassung dienten. Die Stimme auf der anderen Seite erklärte ihre Absichten: „Auf Ihr Schiff sind mehrere Torpedos ausgerichtet. Ihr Schiff besitzt keine imperialen Markierungen. Woher stammen sie? Wie viele Personen befinden sich auf Ihrem Schiff?“ Kathrin blickte panisch zwischen der Tonspur des Funks, zu den Laser Signalen auf einem anderen AR-Display. Sie wusste nicht, welche Antwort sie geben konnte, welche nicht in einer Katastrophe enden würde. Maik sah, wie Kathrin regungslos da saß. Er eilte rasch an ihre Seite und klinkte sich mit seinem ARA in den Funkkanal ein. „Die Aasgeier ist kein imperialisches Schiff! Wir gehören nicht mehr dem Imperium an! Wir sind zu dritt und sind vom Mond Tempin aufgebrochen“, rief Maik laut und deutlich über den Kanal. Kathrin erschrak, als sie ihn endlich wahrnahm und nickte ihm dankend zu. „Verstanden. Folgen Sie diesen Koordinaten. Wir erwarten sie im Hangar.“ Der Aasgeier wurde ein Flugkorridor zugewiesen und Kathrin befolgte diesen haargenau, da die Laser immer noch auf ihr Schiff gerichtet war. Der Funkkanal war abgebrochen. Kathrin bedankte sich bei Maik erleichtert: „Danke. Das waren wohl die richtigen Worte.“ „Freuen wir uns nicht zu früh“, gab er zu bedenken. Er klopfte ihr auf die Schulter und ging zurück auf seinen Platz im hinteren Teil des Cockpits.

Wenige Tausend Kilometer entfernt von Tempin, und mehrere Millionen Kilometer entfernt von der Domingo Station, fiel das Raumschiff von Timothy und Rhovena aus dem Sprung. Dies waren die Koordinaten die ihr CEO ihnen übermittelten. In der Leere sahen die beiden nichts. Timothy überprüfte das Radar, fand aber auch hier nichts. Rhovena prüfte das Langstreckenradar und fand, bis auf ein paar schwache Signale auf dem Infrarotband, ebenfalls nichts.

„Verspäten die sich etwa, oder sind wir wirklich falsch?“, fragte Timothy und wandte sich zu Rhovena. Diese legte ihren Kopf schief und ließ das Schiff die Anomalien genauer untersuchen. „Möglich ist beides.“ Sie zuckte mit den Achseln. Momente vergingen und die Schiffs-KI konnte die anormalen Signale nicht zuordnen. Dann tauchte eine Kommunikationsanfrage auf Timothys AR-Display auf. Zu seiner Erleichterung hatte diese eine eindeutig der Solaire zugehörige Kennung. Er akzeptierte und eine leise nervtötend piepsige Stimme drang an sein Ohr: „Raubvogel an Adler. Ihr seht uns zwar noch nicht, aber ich kann euch versichern, dass wir seit einer Stunde hier auf euch gewartet haben.“ gab Pilotin Endura durch. Dann lichtete sich die Sensoranomalie und drei deutliche Schiffssignaturen waren nun auf den Sensoren der Adler zu sehen. Rhovena war verblüfft.

Sie hatte noch nie soetwas gesehen, nicht einmal davon bei ihren Arbeiten als Sicherheitsbeauftragte der Solaire gehört oder gelesen, doch sie wusste auch, dass es besser für alle beteiligten war, dies nicht infrage zu stellen. „Adler an Raubvogel. Gut, euch bei uns zu wissen. Mit eurem Versteckspiel sollten wir unseren Auftrag ohne Probleme erledigen“, begrüßte Timothy ihre Begleitung und teilte die Koordinaten für den Weiterflug an diese weiter. Der Pilot der Raubvogel bestätigte und gemeinsam beschleunigten sie in Richtung Tempin.

Auf dem Weg zum Mond wollte Rhovena ihre Neugier stillen, doch weder Timothy konnte ihr etwas sagen, noch sagte ihre Begleitung etwas darüber. Sie meinten lediglich, dass dies eine Geheimsache sei und die beiden Agenten nicht darüber bescheid wissen müssten. Rhovena schmollte für die nächsten zehn Stunden, in denen sie nichts anderes tun konnte, als auf ihrem ARA ihrem Papierkram nachzugehen.

Die Adler und ihre Begleiter haben die Distanz zum Mond Tempin in einem Sprung auf wenige hundert Kilometer reduziert. Noch hat sich der Mond nicht bei ihnen gemeldet, das bedeutete für Rhovena, dass diese sie noch nicht bemerkt haben. Aber sie konnte hier nur mutmaßen, da sie und eigentlich niemand, den sie aus dem Solaire Unternehmen kannte, je auf diesem Mond war. Die Sensoren ihres Schiffes waren bereits dabei, passiv den überdimensionierten Asteroiden abzutasten. Unmengen an infraroter und elektromagnetischer Strahlung wurden vom Mond abgegeben. „Mhm, schon seltsam, dass diese Piraten immer noch dort leben. Besonders verstecken tun die sich nicht gerade“, meinte sie zu Timothy, der erneut die Pläne mit ihren Begleitern durchging, zum zehnten Mal. Rhovena rollte mit den Augen, aber ließ ihn erneut aussprechen. In Gedanken konnte sie mitsprechen: „Sobald wir nah genug an Tempin sind, fächern wir aus und halten Ausschau nach der Schiffssignatur von Marquos. Sobald wir ihn gefunden haben, setzen wir unsere Störraketen ein und übernehmen sein Schiff. Dann passen wir die Signatur der Adler an und können dann als Marquos’s Schiff getarnt landen.“ Was Rhovena nicht wusste war, dass Timothy seit dem Rhovena mit Ko Mariachi vor dem Sprung sprach, zu tiefst beunruhigt war. Heute wäre er nicht nur für sein Schicksal verantwortlich, sondern auch für das ihre. Er wolle sie nicht für seine Unzulänglichkeiten auf dem Gewissen haben, denn das wäre der Preis für sein erneutes Vermasseln.

Ihre Begleiter waren bereits von ihnen abgefallen und deckten einen großen Korridor gemeinsam mit der Adler ab. Sie lagen nun mit Radar und Langstreckenradar auf der Lauer.

Eine Raumpatrouille aus vier schnellen Jägern flog seine dritte Runde um den Mond Tempin. Tempin war ein offener Hafen für alle Raumträumer und auch Flüchtlinge, die vor dem eisernen Griff des Imperiums fliehen und hier ein neues Leben aufbauen möchten. Marquos verstand in diesen Patrouillen eine Routinearbeit, denn Feinde könnten die Offenheit seines Volkes jederzeit ausnutzen, und da ist es besser vorbereitet zu sein als überrannt zu werden. Eines der Jäger, geflogen von der schrulligen Olga, überholte das Geschwader rücksichtslos und Heinz sah dies als Herausforderung an. Olga und er redeten die ganze Patrouille davon, dass wer am langsamsten von ihnen die erste Runde im Cosmic Groove, dem abgefahrensten Dance Club in ganz Tempin, ausgeben musste. „Oh, du bist so dran!“, rief Heinz über den Funk und gab maximalen Schub. Marquos sah nur noch den Ausstoß der beiden Antriebe, aber rollte nur mit den Augen und tadelte die beiden mit einem grinsen: „Ohedi, wir wollen uns hier nicht umbringen. Beherrscht euch!“ „Ja, hört auf unseren alten weisen Mann“, kam neckisch von Roberta als Antwort. Sie reihte sich ein und gab ebenfalls Schub.

Marquos schaute sich das Spielchen einen Moment lang an und meinte dann: „Okay, ihr drei. Landet schon mal. Ich dreh’ noch einmal eine Runde.“ „Wieder einmal dein Bauchgefühl? Das heißt, du musst etwas trinken!“, scherzte Heinz, der seine Zähne nicht auseinander bekam, da der Antrieb ihn mit mehrere Kilogal beschleunigte und ihm alles abverlangte.

Während seine Kollegen der Patrouille zur Landung im Raumhafen von Tempin ansetzte, drehte Marquos für eine weitere Runde ab. Nach einer halben Stunde war er auf der Rückseite des Mondes. Heinz, Olga und Roberta, die den Endspurt gewonnen hatte, waren bereits gelandet und unterwegs zum Club. Marquos sah auf seinem Radar ungewöhnliche Infrarotsignale. Er ließ sein Schiff die Signale genauer analysieren, denn er selbst konnte sich diese nicht erklären. Indes nahm er Funkkontakt mit Tempin auf, wo er seine Entdeckung und seine Absicht, diese sich genauer anzusehen, verkündete. Er wartete nicht auf eine Rückmeldung und näherte sich den Signalen.

Der Anflug zog sich in die Länge, aber langsam konnte die Crew der Aasgeier Spuren einer Zerstörung wahrnehmen. Der Korridor führte sie unterhalb von angekohlten Panzerplatten und verschmorten Kabelbäumen entlang. Kathrin war angespannt und musste sich konzentrieren, denn ab und an musste sie Geröll und kleinen fehl funktionierenden Geräten, die hier in der Schwerelosigkeit herumschwebten, ausweichen. Mit ein bisschen zu viel Geschwindigkeit würden diese harmlosen Wrackteile zu lebensgefährlichen Geschossen für die Aasgeier werden.

Maik und Sabrine ließen sie machen und schauten lediglich angespannt aus dem Fenster. Die Spur der Überreste wurde immer dichter und eine riesige sich um sich selbst rotierende Zylinder Station schob sich in ihr Sichtfenster. An einer Seite der Station war eine, im Gegensatz zur Station, stationäre Metallstruktur zu dem der Flugkorridor führte. Kathrin mutmaßte, dass dies der Hangar oder zumindest der Ort sei, woran sie sich festmachen sollen. Die weibliche Stimme über den Funk bestätigte ihren Verdacht: „Habitat-7 an Aasgeier. Bitte folgen Sie dem Flug Korridor und warten Sie vor dem Hangar darauf, dass die Tore von Hangar 4 geöffnet sind.“

Die Aasgeier näherte sich der überdimensionierten Trommel und selbst die stationäre Spange ließ Kathrins Bergungsschiff wie ein Zwerg aussehen. Sabrine nutzte ihre Verbindung zu den Schiffsensoren und analysierte die Station, die sich selbst als Habitat-7 ausgab. „Nicht besonders einfallsreich der Name“, meinte sie, als sie sich nochmal den Namen durch den Kopf gehen ließ, „Pim ist der siebte Planet von Hepthar, und dies ist dann wohl ein Habitat.“ Sie machte große Augen als, sie die Auswertungen sah. Erstaunt ließ sie Kathrin und Maik daran teilhaben: „Ihr werdet es nicht, glauben, aber diese Trommel da ist ein Kilometer lang und hat einen Durchmesser von einem halben! Diese Station hat doch nie im Leben die lange Reise von den Werften Ulma’s hierher alleine unternehmen können! Das hätte doch auffallen müssen!“ „Oder die haben die Station hier errichtet. Nach und nach, mit Transportern“, gab Maik als alternative Lösung zu diesem Rätsel. „Die Raumlotsin scheint doch redselig zu sein, vielleicht können wir ja einfach fragen?“, scherzte Kathrin zynisch.

Rhovena schaute noch einmal auf ihr Radar und die Sensorenauswertung. Sie hatte schon die Hoffnung aufgegeben, doch diese Schiffssignatur stimmten überein. „Das ist unser Mann“, bestätigte Rhovena und prüfte hastig noch einmal ihre Gurte. Timothy gab die Information weiter und befahl eine Angriffsformation. Rhovena fuhr die Schiffssyteme wieder hoch und die leblose Adler entpuppte sich als Falle für Marquos.

Marquos hatte die letzten Minuten, nachdem er ein treibendes Schiff zwischen den beiden Sensoranomalien gefunden hatte, dieses versucht anzufunken, doch kam nur Stille zurück. Vorsichtshalber hatte er seine beiden ballistischen Kanonen hochgefahren und ausgerichtet. Und seine Befürchtungen bestätigte sich, als sein Radar die wieder voll hochgefahrene Adler anzeigte. Zudem verpufften die Hitzesignaturen und drei Angriffsschiffe näherten sich ihm. „Mayday! Mayday! Mayday! Vier Schiffe greifen mich an!“, schrie Marquos nach Hilfe, den Schubregler und Steuerknüppel fest umschlossen.

Timothy hörte den Hilferuf, doch er hatte dafür nur ein müdes Lächeln übrig. Sein Finger schwebte über eine Schaltfläche auf dem AR-Display, welches die Waffenkontrolle zeigte. Mit einem Fingerzucken löste sich die bereitgehaltene Störrakete von der Adler. Seine beiden Begleiter blieben auf gebührendem Abstand.

„Schneller Flugkörper auf Kollisionskurs“, alarmierte die Schiffs-KI Marquos. Er drehte sein Schiff und stieß metallisches, sich selbst spontan erhitzendes Konfetti aus, um die Rakete zu verwirren. Er, wusste, dass er sich nicht gegen drei Jäger bewähren konnte, also gab er Rückschub, um abzuhauen oder zumindest um seine Chancen ausgleichen zu können. Im Asteroidengürtel gab es einige Brocken, hinter denen er sich verstecken konnte. „Schneller Flugkörper weiterhin auf Kollisionskurs“, meldete das Schiff den Fehlversuch. Marquos fluchte.

„Seht, wie er rennt. Hinterher!“, befahl Timothy fast schon bellend und er übernahm die Führung dieser Hatz. Seine Begleitschiffe folgten ihm dicht auf. Die ballistischen Waffen waren noch nicht in Reichweite und so konnte er erst einmal nur auf dem Radar zuschauen, wie die Störrakete deutlich Marquos durch den von ihm abgesonderten Abfall folgte.

„Kollision in 200 Metern“, machte die KI Marquos darüber aufmerksam, dass ein verheerender Zusammenstoß unmittelbar bevorstand. Ein rettender Gesteinsbrocken, gerade mal so groß wie sein Schiff, kam in greifbare Nähe. „Eine beherzte Drehung auf dem Fleck könnte die Rakete in den Asteroiden jagen“, hoffte Marquos und drückte den Schubregler bis zum Anschlag. Ihm wurde langsam schwarz vor Augen, doch wenn er bei diesem Manöver versagen würde, würde es so für immer verbleiben. „Kollision in 100 Metern!“, der Brocken war nun rechts ab von Marquos. Er hatte nicht viel für den Glauben übrig, den die Raumträumer im Silent Haven zelebrieren, doch jetzt hoffte er, dass seine Gebete erhört werden. Er drehte sein Schiff auf der Stelle und driftete in die gleiche Richtung, aus dem er kam. Marquos drückte den Schubregler erneut nach vorne. Bis zum Anschlag. Er begann zu beten und ihm wurde Schwarz vor Augen. Er wurde bewusstlos.

Fünf Sekunden später haben sich die G-Kräfte, die Marquos’s Kopf dem Sauerstoff verwehrte, wieder eingeordnet und er kam wieder zu Bewusstsein. Die Störrakete hatte den Felsen erwischt und eine blaue EMP Wolke sorgte für ein gestörtes Radarbild. Er zog den Schubregler wieder auf eine angenehmere Beschleunigung. „Vielleicht denken die, dass sie mich erwischt haben!“, hoffte Marquos und ging auf Schleichfahrt zu einem anderen nächstgelegenen Asteroiden, hinter dem er sich verstecken konnte.

Doch die Piloten der Solaire waren nicht so leicht abzuwimmeln. Ein Begleitschiff hatte den Asteroiden von der anderen Seite umrundet und Marquos blickte in die Kanonenrohre des Feindes. „Kampflos ergebe ich mich nicht, ihr Imps!“, schrie Marquos und mobilisierte noch einmal seine letzten Kräfte. Er fuhr wieder alles hoch, darunter seine Waffensysteme. Zwei Salven konnte er durchbringen, bevor sein Gegenüber ebenfalls das Feuer eröffnete.

„Fehlfunktion im Haupttriebwerk“, sagte die Schiffs-KI monoton, als wäre es das geringste Problem in der Welt. Marquos drehte eine Pirouette und rotierte um das feindliche Schiff. Mehrere Salven sorgten für weitere Zerstörungen, doch der Solaire Pilot war handlungsunfähig. „Einer weniger“, gratulierte sich der Raumträumer und orientierte sich um. Es gab nun noch drei weitere Schiffe. Eines davon brach über den Asteroiden über Marquos herein. Es war die Raubvogel. Pilotin Endura war außer sich und konnte es nicht fassen, dass ein lausiger Pirat einen von ihnen kalt gemacht hatte. Sie ignorierte den stehenden Befehl von Timothy und feuerte aus allen Kanonenrohren.

Die Schiffs-KI war dabei weitere Fehlfunktionen aufzulisten, doch mit der letzten Salve wurde auch der Bordcomputer zerstört und ein friedfertiges Schweigen legte sich auf Marquos Schultern. Er schloss seine Augen und atmete noch einmal aus. Er erwartete den finalen Stoß des Feindes, der ihn erlösen sollte. Sein Herz hörte auf, schnell zu schlagen. Seine Anspannungen sind verflogen. Ein lautes Knacken des Cockpits war das letzte, was Marquos hörte.

„Feind ausgeschaltet“, gab Pilotin Endura zur Adler feierlich durch. „Was heißt hier ausgeschaltet?“, fragte Timothy misstrauisch und als Antwort kam zurück, dass nicht nur der Feind, sondern auch das Schiff zerstört wurde. Der Agent war außer sich und er brüllte sie über den Funkkanal an: „Sie sollten das Schiff deaktivieren, nicht zerstören! Sie haben die gesamte Mission aufs Spiel gesetzt!“ Rhovena konnte gut den wütenden Timothy verstehen, doch noch war nicht alles verloren.

Die drei Solaire Schiffe versammelten sich um den Schrotthaufen, der einst Marquos Schiff gewesen war. „Also gut, hat jemand eine Idee?“, fragte Timothy in die Runde, doch nur ein Schweigen machte sich auf dem Kanal breit. Kleinlaut meinte Rhovena: „Vielleicht reicht der Haufen, um zumindest die Adler zu tarnen.“ Dann beklagte sie den Verlust von Marquos: „Nur bekommen wir von dem Kerl keine Informationen mehr. Welch eine Tragödie!“

In wenigen hundert Kilometer Entfernung betrachtete Burton, der vom Hilferuf von Marquos hier her gebrachte, die Leichenfledderei. Er kannte Marquos als sehr guten Piloten, doch wenn selbst er nicht gegen diese Meute bestehen konnte, so hielte Burton es für sicherer auf Abstand zu bleiben. Er würde noch seine Rache bekommen, schwor er sich.

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