Kapitel 8: Aufbruch

Eine gesamte Bergbauflotte, der aufstrebenden Regolith Organisation, wurde gestern im Venezia Gürtel, von einer unbekannten Fraktion angegriffen. Laut Augenzeugen dieses Massakers und einer authentischen Aufnahme eines Gesprächs eines Mitarbeiters der Regolith, wurde dieser Angriff von Piraten im Auftrag von der Solaire Bergbaugesellschaft …—hallte die Eilnachricht über den Bildschirm in den sonst düsteren Raum. Matthias lag tot in seinem Erbrochenem am Boden, neben ihm kniete ein professionell gekleideter Agent der Solaire, der gerade eine Nadel aus dessen Hals rauszog. Timothy stellte sich aufrecht hin und strich die mit Blut vollgespritzte Krawatte glatt, dann richtete er seinen Blick auf den letzten Überlebenden des Massaksers, zumindest hatten seine Kollegin und er es gehofft. Rhovena nahm die Nadel ihres Kollegen entgegen und warf sie in den Mülleimer, unter dem Tisch, auf dem eine angebrochene Flasche mit einer violetten Chemikalie stand. Sie nahm sich eine neue Spritze und zog diese langsam mit dem todbringenden Nervengift auf. Timothy stellte sich vor Erat auf und verpasste ihm einen Hieb mit seiner in rotem Latex gekleideter Hand. Erat spuckte Blut, als er wieder zu bewusst sein kam. Nur wie durch Schlieren konnte er durch sein linkes, noch funktionierendes, Auge den Agenten vor ihm sehen. Der Agent war in einem feinen Anzug gekleidet. Wo der Anzug aufhörte, überzog rotes Latex die Haut des Agenten, nur sein Kopf steckte aus dem Ganzkörper Anzug heraus. Timothys Kollegin war ähnlich gekleidet. Erat sah Blut an der Krawatte von Timothy doch konnte er nicht sagen, von wem es stammte. Erat versuchte angestrengt seine Situation abzuschätzen, und kam zu dem Entschluss, dass diese, in der letzten Stunde, sich nicht verbessert hatte. Matthias konnte er nicht sehen, denn sein Kopf war gefesselt.

Timothy informierte ihn mit Nachsicht, wie Matthias sich geschlagen hatte: „Leider hat ihr Kollege nicht verstanden, was wir wollten. Dabei ist es so einfach! Wir wollen lediglich die Wahrheit und Sie werden sie uns erzählen, stimmt's?“ Erat windete sich in den Fesseln, aber vergebens. Timothy nahm die Spritze von Rhovena entgegen und hielt die Nadel gegen Erats Wange. Seine Augen weiteten sich. „Erzählen Sie uns, wie ihr beide von der Oblate-B fliehen konntet und ich verspreche Ihnen Ihr Leben.“ Panikerfüllt nickte Erat und stammelte ein leises Ja. Timothy lächelte ihn daraufhin an. Mit sanfter, aber beunruhigender Stimme fuhr er fort: „Guter Junge. Wir haben bei Ihrer Ankunft ein Schiff geortet, was aber vom Stationssicherheitsdienst der Domingo Station nicht bemerkt wurde. Wie hieß es, woher kam es und wer flog euch hier her?” Erat versuchte unter Kopfschmerzen sich an alles zu erinnern, da traf ein stechender Schmerz ihm im Hals. „Aber wir haben nicht ewig Zeit! Also, raus damit!“, befahl Timothy harsch und unterschrieb damit Erat's Todesurteil.


Rhovena hatte die Informationsflut, die Erat in seinen letzten Minuten, in denen er am Leben war, protokolliert und beide Agenten verließen das dunkle Zimmer. „Nicht zu fassen. Da haben wir den Piraten etwas Gutes tun wollen und so bedanken sie sich bei uns?“, echauffierte sich Rhovena künstlich, ging durch die offene Tür und trat auf den erleuchteten Korridor. Timothy hingegen bleib fokussiert und erläuterte ihr weiteres Vorgehen: „Es wird Zeit, dass wir uns vor Ort umhören. Ich gebe Meldung an unserem CEO. Sie wird sicherlich nicht gut darauf zu sprechen sein.“ „Sie wird das schon verkraften, ich habe da vollstes Vertrauen in Frau Mariachi“, warf Rhovena ein und komplettierte Timothys strategie: „Wir brauchen passende Kleidung und eine Story, warum wir auf so einem Asteroiden gelandet sind.“


Die Aasgeier war bereits mehrere Stunden im Sprung unterwegs und Hunger machte sich bei den drei Passagieren breit. Kathrins Musik spielte nicht, da Sabrine nach einer Stunde meinte, dass diese Musik bei ihr Kopfschmerzen verursachen. Es war still im Cockpit und nur das leise Schnurren des Schiffes war zu hören. Maik hatte jedoch gefallen an der Musik gefunden, aber meinte das dieser Flug ja angenehm für alle Beteiligten sein sollte. Kathrin lenkte ein und beendete die Wiedergabe.

Kathrin nahm sich eine der leeren Kisten und setzte sich zu den anderen beiden, um gemeinsam etwas zu essen. Sie brachte auch drei Becher Kaffee mit. Maik grinste, als Kathrin meinte, dass dieser Kaffee echt sei. Er fühlte sich zurück auf die Oblate-B versetzt, wo Sabrine ihm genau dasselbe erzählte. Diese war damit vertieft den Geschmack des Sandwichs, was sie aus dem Kühler genommen hat, zu identifizieren. Der Wurstbelag schmeckte unerwartet echt! In dem Gravity's Haven war alles aus Pilzen und Harmond bestätigte ihr auch, dass der Großteil der Nahrung aus den Pilzen aus den Aurora Heights hergestellt wurde.

Kathrin griff gerade nach ihrem Sandwich als Sabrine sie fragte: „Sag, mal Kathrin. Wovon ernähren sich eigentlich deine Leute?“ Kathrin blickte auf ihre belegte Brote neugierig und klappte eine Scheibe hoch, um demonstrativ nachzusehen. „Überwiegend von den Pilzen, die wir in tiefe Schächten angebaut haben. Aurora Heights ist nach so einem Komplex benannt. Wenn das Licht reduziert ist, glühen die Pilzkappen und geben ein Lichtspiel ab, wie man es von den Nordlichtern auf Monad her kennt“, begann sie zu schwärmen, „Das ist definitiv ein Schauspiel, was ich euch zeigen muss!“ Maik nickte und biss genüsslich von dem echten Essen ab. Sabrine war aber noch nicht zufrieden mit ihrer Aussage, also hakte sie nach: „Ja, okay. Aber diese Sandwichs schmecken nicht nach Pilz, sondern unnachahmlich echt.“ Kathrin funkelte Sabrine an, nahm einen Schluck aus ihrem auslaufsicheren Becher und sagte: „Frage nicht nach etwas, worauf du nicht die Antwort hören möchtest“, Sie hielt kurz inne, „Aber gut, ab und an müssen wir Raumträumer unsere Lebensmittel mit denen anderer aufstocken. In diesem Fall hätte der Imperator recht, dass wir Piraten sind.“ Sie legte den Becher wieder zur Seite und dieser schwebte neben ihr, sie betonte: „Das sind dann aber auch die einzigen Male wo das zutrifft!“ Sabrine lächelte leicht und meint nachsichtig: „Stelle ich mir nicht leicht vor, im Exil zu leben, und dann müsst ihr auch noch ums Überleben kämpfen. Ich wollte es einfach wissen. Das ist alles.“ Kathrin blinzelte sie nur an, da sie nicht wusste, was sie darauf sagen konnte.

Sie hatte Sabrine von Anfang an falsch eingeschätzt, aber sie war dankbar dafür. „Weißt du, Kathrin. Du bist ziemlich nett. Ich hatte immer das Bild vom brutalen no-nonsense Piraten im Kopf, aber das stimmt so gar nicht! Du bist einfühlsam, aufmerksam und hilfsbereit. Es wäre toll, wenn das die Bürger des Imperiums ebenso erkennen könnten“, sagte Maik hoffnungsvoll. Kathrin errötete leicht, sie konnte noch nie gut mit Komplimenten umgehen. Es war ein Wunder, dass sie mit Julie zusammengekommen war. Sie griff hastig nach dem Kaffeebecher und trank noch hastiger davon, um ein paar Augenblicke mehr zu bekommen, damit sie nachdenken konnte, was sie darauf sagen solle. „Uhm. Danke. Ihr beide seid auch nicht so schlecht. Für Imps, gar nicht mal schlecht“, gab sie schlussendlich als Antwort klein bei. Bei der abschätzenden Bezeichnung schauten Maik und Sabrine sie schief an und fragten gleichzeitig: „Imps?“ Kathrins Kopf wurde noch röter und der Kaffeebecher war bereits leer. Sie stammelte: „Oje, ist mir so rausgerutscht!“ Sabrine und Maik lachten und Kathrin wollte jetzt am liebsten sich unter die Deckplatten vergraben.

Maik meinte aber aufmunternd: „Keine Panik, Kathrin. Ich finde Imps ist eine ziemlich passende Bezeichnung für jene, die unter dem Einfluss des Imperators leben, ohne die Freiheit je erlebt zu haben.“ Sabrine stand auf und nahm ihren und auch Kathrins Becher mit zur Kaffeemaschine. Als sie auf der Höhe von Kathrin war, legte sie ihre Hand auf ihre Schulter und flüsterte ihr ins Ohr: „Also auf der Oblate-B nannten wir euch ganz einfach Piratten.“ Kathrins Augen weiteten sich und sie musste erst einmal verarbeiten, dass sie eine Piratte in den Augen einiger war.

Sabrine legte die beiden Kaffeebecher unter die Maschine und drückte ein Kopf in der Hoffnung, dass diese wie alle anderen Kaffeemaschinen, denen sie begegnet war, funktionierten. Gedankenverloren ging sie näher in die Pilotenkanzel um hinauszusehen. Der Asteroidengürtel lag seit langem hinter ihnen und vor ihnen war lediglich gähnende Leere, nur ein paar verstreute helle Sterne konnte man sehen. Aus dem Cockpit konnte man zwar schon Pim als ganz kleinen Punkt erkennen, doch bis die schnurrende Aasgeier in die nähe kam würden noch viele Millionen Kilometer zurückgelegt werden. Sabrine verweilte für ein paar Momente dort, konnte Pim in dem Sternenhimmel nicht erkennen. Frustriert ging sie zurück zur Maschine und wunderte sich das diese noch nicht fertig war.

„Wie lange meintest du, dauert der Flug nach Pim?“, fragte Sabrine während sie versuchte sich einen Reim aus der Kaffeemaschine zu machen. Kathrin beäugte ihr Treiben und deutete auf den Kippschalter direkt vor ihrer Nase: „Den Schalter da, den musst du umlegen. Manchmal musst du gegen die Maschine hauen. Ich kam noch nicht dazu, es zu reparieren.“ Sabrine folgte ihrem Zeig und blickte den roten Schalter nochmal an. Sie konnte schwören, dass sie diesen bereits umgelegt hatte. Den Hinweis von Kathrin beherzt klopfte sie sacht gegen den Apparat, woraufhin dieser endlich anfing den Kaffee zuzubereiten.

„Etwa noch 30 Stunden. Die Assgeier ist nicht groß genug für uns drei, aber ich habe Schlafsäcke für euch organisiert und könnt dann unten in der Ladebucht schlafen. Hoffe das geht in Ordnung?“ Maik warf seinen nun auch leeren Kaffeebecher in Richtung Sabrine welche diesen gekonnt entgegennahm. Er sagte mit schüttelndem Kopf: „Klar, das ist kein Problem, wenn du Ohrstecker hast. Da unten ist es doch ein wenig Laut.“ Sabrine kam mit den drei gefüllten Bechern wieder zurück und fragte Kathrin: „Warum nicht hier? Das Cockpit ist doch groß genug?“ Kathrin grinste und meinte neckisch: „Ja, das schon, aber ich möchte euch zu mindestens während des Schlafs ein wenig Privatsphäre gönnen.“ Jetzt, war Sabrine, jene die errötete und warf Kathrin den Becher an den Kopf. „Das ist jetzt echt nicht nötig gewesen“, meinte sie berührt. Kathrin fing den Becher auf und streckte ihr ihre Zunge heraus. Maik grinste. „Wir werden lieb und artig sein. Keine Sorge, Kathrin. Aber wo wir schon dabei sind …“, setzte er zum Fragen an, wurde aber von Sabrine mit einem Kuss unterbrochen. „Julie. Sie ist gerade auf der Alexa Station“, schwärmte Kathrin von ihrer großen Liebe, „Platinweiße Haare. Violette Augen. Unendlich lange Beine. Humorvoll und gerissen. Ich traf sie auf einem Gewürze-Festival in ‘Heights. Und in dem Augenblick war es schon um mich geschehen!“ Maik und Sabrine lauschten der verliebten Frau.

Kathrin erzählte nicht alles, was es über Julie zu wissen gäbe. Das stand ihr auch gar nicht zu, da Julie in einer gefährlichen Branche arbeitete und je weniger von ihren Machenschaften wüssten desto besser wäre es für alle Beteiligten. Zum Abschluss kramte aus ihrem Overall die eingepackte Schokoladentafel heraus. Maik und Sabrine schauten ihr neugierig zu. „Sie hat mir heute Morgen auf Tempin dieses hier geschenkt“, erklärte Kathrin und faltete die Tafel aus dem Papier, „Echte Schokolade!“ Die beiden Imperialen waren verblüfft, denn sie kamen nie in den Genuss von so einem Luxusgut. Dann bot Kathrin ihnen diese an. Maik machte große Augen und Sabrine schnappte die Tafel vor seiner Nase weg. Sie holte ein kleines Messer hervor und teilte es in drei halbwegs gleich große Teile und bat den anderen jeweils ihr Stück an. Genüsslich verkosteten die drei Crewmitglieder der Aasgeier das Gut.

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