Kapitel 4: Gravitation

Maik war an der Essensauslage gerade dabei sich mit Kaffee und Sandwiches einzudecken da gesellte sich Sabrine hinter ihm in die Warteschlange der hungrigen Mäulern. Maik bemerkte sie erst nicht und erschrak als er sich umdrehte. „Oh du bist es“, entwich ihm erleichtert als hätte er wieder an Jonash gedacht. „Hungrig, wie mir scheint?“, kommentierte sie den Haufen der belegten Brote die auf seinem Tablett platz fanden, „Lass für die anderen auch noch etwas übrig!“ Sabrine füllte ihr Tablett mit Nudeln und einem Kaffee auf und ging dann zu einen leeren Tischplatz. Maik folgte ihr nachdem er ein paar der Sandwiches zurückgelegt hatte. Am Tisch angekommen nahmen die beiden Platz und Maik kommentierte seine ersten Eindrücke: „Schönes Schiff, die Oblate-B.“ dann biss er von dem Sandwich ab. Maik wusste nicht wie er das fad schmeckende Essen einordnen sollte. Er kaute kurz und merkte dann trocken an: „Na immerhin ist das Essen kostenlos.“ Sabrine kicherte: „Kostenlos ist es nicht! Der Preis wird von deinem Verdienst abgezogen.“ Dann nahm sie ein Schluck aus ihrem Kaffeebecher und stellte diesen dann bedächtig auf den Tisch. „Erzähl mir was passiert ist. Was mit Jonash passiert ist“, bat sie ihm und streckte ihre flach auf dem Tisch gelegten Hände ihm entgegen. Maik legte sein angefangenes Sandwich beiseite. Er sagte mit leiser Stimme: „Jonash ist bei einem Überfall ums Leben gekommen. Wo und warum weiß ich nicht. Und er hat mir sein Schiff vererbt. Was ich aber noch abbezahlen muss.“ Er umfasste ihre Hände mit den seinen. Sie fühlten sich für eine Vorabeiterin im Bergbaugeschäft unerwartet sanft an. Er blickte zu ihr ins Gesicht und fragte: „Woher kanntest du ihn?“ Sabrine zuckte kurz zusammen, fasste sich wieder und begann ihre Geschichte zusammen zu fassen: „Wir kannten uns seit einem Standardjahr. Ich hatte ihn geworben und war zu dem Zeitpunkt bereits selbst seit einem Standardjahr bei der Regolith. Ich hatte als Prospektorin angefangen und hatte mein eigenes Schiff.“ sie fügte mit einem lächeln hinzu: „Um genau zu sein, jenes Schiff was du nun fliegst!“ Maik sagte mit einem grinsen: „Dann hattest du dein altes Schiff begrüßt als ich hier ankam.“ Sie nickte. „Ich bin froh das sie den Unfall überlebt hat. Aber tut mir leid das wir das gleiche von Jonash nicht behaupten können. Wenn du fertig bist möchte ich dir etwas zeigen.“ Maik ließ wieder ihre Hände los und verdrückte sein Essen. Sabrine ass langsam ihre Nudeln und sagte amüsiert: „Weißt du, eigentlich ist es egal was du hier isst. Es ist alles die gleiche Proteinmasse nur jeweils anders geformt.“ Dann hebte sie ihr Kaffeebecher und prostete ihm zu: „Aber der Kaffee, der ist echt.“ Er griff hastig nach seinem Becher und prostete ihr dann ebenfalls zu. Nachdem beide aufgegessen und ihre Tabletts weggeräumt hatten ließ sich Maik von Sabrine durch die Korridore und Treppengänge führen. Maik war fasziniert von der Größe der Oblate-B. Er hatte als Industriemechaniker zwar an Schiffen gearbeitet, aber keines war so groß wie das Raffinerieschiff. „Gibt es an Bord eigentlich keine Fahrstühle oder warum hechten wir die Treppenstufen hoch?“ fragte er und Sabrine die vor ihm lief antwortete über ihre Schulter hinweg: „Nur für Lasten und Gefahrengut. Wenn wir keinen Strom haben würdest du in Fahrstühlen stecken bleiben“, Sie zuckt ihre Schultern, „Hat sich eben so eingebürgert. Komm, wir sind gleich da!“ Sabrine machte vor einer Sicherheitstür halt und zückte ihre Mitarbeiterkarte um sich zu autorisieren. Maik hob neugierig seine Augenbraue aber bevor er etwas sagen konnte schob sich die Tür zur Seite auf. Vor ihm war eine Glaskuppel die das gesamte Observationsdeck einnahm. Aus dieser Kuppel hatte man einen weiten Blick über das Schiff. Das Licht des fernen Doppelsterns brach sich im Asteroiden Gürtel in ein schillerndes Lichtspiel. Mehrere Sitzbänke säumten den Raum und luden zum verweilen ein. Sabrine musterte den euphorisch wirkenden Maik. Er trat näher an das Glas heran wurde aber von einer Reling entlang des Raums gestoppt. Er bemerkte nicht das Sabrine ihm nicht folgte. Stattdessen ging sie zu einem Getränkeautomaten an der anderen Seite des Decks und orderte für ihn und sich etwas. Maik schaute links und rechts, sah wie die ersten Bergbauschiffe der nächsten Schicht die Oblate-B verließen und langsam und geräuschlos ihre Kurse aufnahmen. Da sah er ein Blitz in ferner Weite und schreckte hoch. „Hast du das gesehen?“ fragte er und bemerkte erst jetzt das Sabrine gar nicht neben ihm stand. Sie kam mit zwei Bierflaschen, reichte ihm eine und entgegnete ihm: „Hab ich was gesehen?“ Er winkte ab un nahm lächelnd die Flasche entgegen und sah auf das Etikett dann grinste er verträumt: „Das war sein Lieblingsbier.“ Sabrine nickte und lehnte sich gegen die Reling, „Ich weiß, Maik. Du hattest während der Schulzeit ihn damit überrascht. Er hat mir viel von dir erzählt.“ „Auf verlorene Freunde und auf neue Freunde!“, prostete sie ihm mit einem lächeln zu. „Ja, auf neue Freunde!“


Maiks wurde in den nächsten Schiffstagen immer besser im Handling mit dem Schiff und der Arbeit in der Schwerelosigkeit. Er schaffte immer häufiger nun auch die Sollerfüllungen zu erreichen. Immer wieder musste er große Asteroiden verschmähen, welche zwar die geforderten Metalle und Mineralien enthielten aber für die Alte Lady einfach zu massiv und resistent waren. Sabrine und er trafen sich regelmäßig und philosophierten über ihre Arbeit und der Firma. Sabrine war bodenständig und fühlte sich als Mitarbeiterin nicht nur als Teil der Regolith verpflichtet sondern sah in der Crew der Oblate-B ihre Familie. Als Maik nachfragte lenkte sie von ihrer Vergangenheit ab und fragte Maik was er für sich in der Zukunft sieht. Maik wusste selbst nicht so recht was er darauf antworten sollte. Er sah nur das kurzfristige Ziel den letzten Willen von Jonash zu ehren und die alte Lady auszulösen. Aber dafür bräuchte er noch mehrere Wochen. Sabrine wurde hellhörig als er meinte das er große Asteroiden gefunden habe und bat an ihn mit einem zweiten Bergbauschiff zu begleiten. Maik war begeistert von der Idee und so fuhren die Beiden gemeinsam aus und konnten die großen Brocken knacken. Seine Schulden wie auch die Satteltaschen der alten Lady wurden ihm von seinen Schultern genommen. Eines Abends lud Sabrine ihn zu sich auf ihr Bergbauschiff, die Rote Katze, ein. Sabrine folgte dem Standardprozedere und kurze Zeiter später flogen sie von der Oblate-B weg. Das Raffinerieschiff schipperte mit einem Kilogal sanft durch den Raum und die Rote Katze verblieb an Ort und Stelle. Schwerelosigkeit erfüllte das innere von Sabrines modernem Schiff. Maik war sich sicher das sie mit ihrem Schiff alleine die großen Brocken die er verschmähen musste knacken könnte. Sabrine deaktivierte ihre magnetischen Stiefel und schwebte schwerelos auf Maik zu. Er war von ihr entzückt und entledigte sich ebenfalls seiner Bodenhaftung. Die Luft um ihnen herum knistere und sie verbrachten einen wundervollen Abend.


Zweite Tage später, erwachten Maik und Sabrine in dem kleinen Bett der alten Lady, als Sabrines ARA sie zum Schichtanfang weckte. Maik umklammerte sie noch einmal und liebkoste ihre Schulter. Sie erwiderte diese mit einem Kuss auf seinen Mund aber musste sich dennoch aus seiner liebevollen Umklammerung lösen. „Ich muss los, sonst gibt es Probleme im Betrieb.“ sie kuschelte sich aus dem Bett und zwang sich wieder in ihre Uniform. Maik öffnete die Augen und lächelte sie erfüllt an. „Mach das, wir hören uns dann später.“ sagte er zu ihr und sie eilte aus dem Schiff. Sabrine ging, als sie wieder am Bord der Oblate-B war, zielorientiert und langsam zur Brücke. Hier wartete der Raumkontrolleur sehnsüchtig auf sie da sie ihn vor einer halben Stunde ablösen sollte. Maiks Arbeitsweg war sehr viel kurzer. Er nahm sich ein Kaffee, zog sich an und torkelte verliebt Richtung Pilotensitz. Mit dem Kaffee in der Hand kontrollierte er sein ARA und stellte an seinem Kontostand fest, das er nur noch einen Schichttag vor sich hatte, um die letzte Leasingrate ab zu bezahlen. Dann schaute er zur Koje wo Sabrine und er vorhin noch lagen. Sabrines Frage nach der Zukunft kam zurück in seine Gedanken und seufzend konnte er immer noch darauf keine Antwort geben. Er widmete sich wieder dem Ausblick der Alten Lady und funkte die Raumkontrolle an um seine Schicht zu beginnen. Seine Euphorie für die Arbeit ist vergangen und seine Gedanken waren nicht mehr auf sein Ziel ausgerichtet, schnellstmöglich Jonashs letzte Rate abzubezahlen, sondern im Kampf zwischen der Liebe zu Sabrine und seiner unmittelbar bevorstehende Freiheit, überall da hin zu fliegen wo er wollte. Es war sein und Jonashs Traum die Sterne zu bereisen. Abgelenkt von seiner Arbeit machte er einen Fehler nach dem anderen und die Satteltaschen füllten sich mehr mit wertlosen Gestein als wertvollen Metallen und Mineralien. Maik war gerade wieder dabei zurück zu fliegen und seine magere Ausbeute abzugeben als die melancholische Musik von einem Funkspruch der Oblate-B unterbrochen wurde…


„Mehrere Signale mit aktiven Waffensystemen im Sektor geortet. Ziele kommen schnell auf Oblate-B zu“, kam über das Netzwerk. Danach nur noch ein Rauschen. Dann zeigte Maiks ARA dass er keinen Zugriff mehr aufs Kommunikationsnetzwerk hatte. Eine Implosion, wo die Oblate-B zuletzt war, wurde von der alten Lady registriert. Maiks Gedankenkampf war zu ende und seine Gedanken waren auf Sabrine fokussiert. Er hat seinen Entschluss gefasst. Ohnmacht machte sich in ihm breit. Mit seinem Schiff konnte er nicht viel ausrichten, aber er musste etwas machen. Vielleicht reichte er in dieser Situation. Maik schüttelte seine Ohnmacht ab und umklammerte seinen Steuerknüppel. Mit vollem Schub nahm er Kurs auf die Oblate-B. Er hoffte das sich die Mitarbeiter in die Fluchtkapseln retten konnte. Dann sah er auf seinem Radarsystem wie ein Dutzend feindliche Ziele um die Oblate-B und um havarierte Schiffe flogen. Maik musste vorsichtig vorgehen und schaltete alle unnötigen Schiffssysteme ab. Die Schiffs-KI verabschiedete sich von Maik und wünschte ihm im letzten Atemzug gutes Gelingen. Je näher Maik an das Wrack der Oblate-B kam je deutlicher wurde das Massaker. Piratenschiffe griffen die Oblate-B an und selbst der Begleitschutz konnte nicht viel ausrichten. Die vereinzelten Schiffe waren entweder zerstört oder Handlungsunfähig gemacht. Sogar Rettungskapseln wurden von den Piraten zerstört. Maik ahnte schlimmes doch musste er hoffen das zumindest Sabrine diesen Angriff überlebt hat. Stetig und langsam näherte sich die alte Lady der Oblate-B und war nun, so hoffte Maik, im Radarschatten. Hier konnte er die letzten Rettungskapseln scannen und hoffentlich Sabrine finden. Er modifizierte die Sensor-Vorrichtung sodass er die verschlüsselten Implantate die jedem Bürger des Imperiums zur eigenen Sicherheit und eindeutigen Identifizierung nach der Geburt verabreicht werden. Die empfangenen Signale schickte er anschließend auf sein ARA welches diese Verschlüsselungen aufbrechen konnte. Langsam und behutsam richtete er die Sensoren aus, um die Kapseln zu orten und die Insassen zu bestimmen. Immer wieder flog ein Piratenschiff vor seine Linse und unterbrach seine verdeckte Arbeit. Zudem lenkten explodierende Rettungskapseln ihn ab. Er hoffte inständig das keine davon Sabrine enthielt. Maik wollte aufgeben als er eine Übereinstimmung fand. Zusammen mit zwei anderen Mitarbeitern saß Sabrine in einer nur wenige Kilometer weit entfernten Rettungskapsel. Maik war erleichtert wie er sah das weder ihn noch die Rettungskapsel bislang die Aufmerksamkeit der Piraten auf sich gezogen hatten. Er brauchte eine Ablenkung, denn es würde selbst den unaufmerksamsten Piraten auffallen wenn ein Bergbauschiff anflog und neben einer Rettungskapsel parkte. Er Blickte verzweifelt um sich als er sein Ass im Ärmel bemerkte, die Signalboje des Schiffs. Wie Motten vom Licht würden die Piraten von einem Hilferuf angelockt werden. Behutsam drückte Maik den Schubregler nach vorn und er näherte sich der Kapsel quälend langsam. Er wollte wie Triebgut wirken. Als er sich ganz nah an der Rettungskapsel befand öffnete Maik ein lokalen Kommunikationskanal und hoffte das Sabrine seine Nachrichten erhält. „Klopf klopf. Macht euch bereit für einen Spaziergang,“ signalisierte Maik den Flüchtlingen. Sabrine, Matthias und Erat waren bereits in Rettungsanzügen und hatten ihre Helme aufgesetzt. „Wir stehen bereit die Luke zu öffnen“, kam als Antwort zurück. Er öffnete die Luftschleuse der alten Lady und aktivierte die Boje, welche sofort begann, ein Notruf zu senden. Es wirkte wie ein Leuchtfeuer, welches von ihm und der Rettungskapsel ablenken solle. Wie erwartet sah Maik eine Handvoll der Piratenschiffe auf die Oblate-B zu zufliegen. Zwischen der Kapsel und dem Schiff lagen nur wenige Meter und Maik schrie die Flüchtlinge an sich zu beeilen.


Sabrine und die beiden anderen Flüchtlinge kamen rasch an Board, gerade rechtzeitig als Maik bemerkte das zwei der Piratenschiffe mit aktiven Waffensystemen Kurs auf die alte Lady genommen haben. Seine Tarnung ist aufgeflogen. Er fuhr alle Schiffssysteme rasch hoch. Die KI begrüßte ihn und warnte vor zwei sich rasch näherkommende Raketen. Maik gab vollen Schub und hoffe schnell genug die Sprungschwelle zu erreichen. Die Alte Lady war nicht groß genug für die Passagiere und Sabrine musste improvisieren. Die drei stellten sich an die hinterste Wand um nicht bei der hohen Beschleunigung dagegen geworfen zu werden. „Acht Kilogal“, meldete die Schiffs-KI und die Raketen waren nur noch einhundert Meter entfernt. Maik verfluchte die Beschleunigungsraten der Tod bringenden Geschosse die sie unentwegt verfolgten und sogar zu ihnen aufholten. „Achtkommafünf Kilogal“, meldete die Schiffs-KI und die Raketen waren nur noch dreißig Meter entfernt. Maik aktivierte den Sprungantrieb in der Hoffnung das Jonash bei seiner Erklärung damals falsch lag. Sabrine, Matthias und Erat spürten den schmerzhaften Druck. „Vorbereiten auf Aufschlag!“, warnte die Schiffs-KI. Die Alte Lady kreischte.

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